Der steinige Weg zum perfekten Dienstplan – von Fakten, Mythen und Nebenwirkungen
Monat für Monat fliessen unzählige Arbeitsstunden in die Erstellung von Personaleinsatzplänen. Medizinisch und pflegerisch ausgebildete Personen versuchen das manchmal fast Unmögliche zu schaffen: irgendwie die benötigten Schichten zu füllen und niemanden nachhaltig zu vergraulen. Dank viel Erfahrung und Übung, Verhandlungsgeschick und guter Kenntnis des Teams finden diese Planerinnen und Planer immer wieder Lösungen. Ist der Dienstplan erstellt, geht die Planungsarbeit nahtlos weiter: kurzfristige Programmänderungen und Ausfälle lassen die Telefonleitungen heisslaufen, parallel dazu optimieren die Mitarbeitenden durch bilaterales Abtauschen von Schichten ihren persönlichen Dienstplan - sozusagen Dienstplanung by Whatsapp, natürlich ohne Schnittstelle ins eigentliche Planungssystem. Zusammengefasst: der Erstellungsprozess von Plänen ist aufwändig, ihre Halbwertszeit kurz, die Problemlösung bei Planänderungen auch nochmals aufwändig und am Schluss ist doch niemand wirklich glücklich mit dem Ergebnis – fehlende Planungssicherheit, sich ansammelnde Überzeiten, schlechte Vereinbarkeit mit dem Privatleben – die Dienstplanung und ihre Nebenwirkungen ist mit einer der Gründe, warum viele Fachpersonen das Gesundheitswesen verlassen. Ein genauer Blick auf die gängige Praxis zeigt: Viele der heute üblichen Planungspraktiken sind selbst Teil des Problems und müssen hinterfragt werden, um wirklich eine Verbesserung zu erzielen.

Dezentrale Planung in kleinen Einheiten
Kleine Teams, grosse Probleme: jede Einheit, Station, Abteilung plant für sich. Intuitiv erscheint das einfacher, weil nur eine überschaubare Anzahl Rollen zu besetzen ist und weniger Kombinationen möglich sind. Tatsächlich steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass etwas nicht aufgeht, je kleiner das Team ist. Gleichzeitig wiegt der Ausfall eines einzelnen Mitarbeitenden in einem kleinen Team umso höher. Umgekehrt ist es in einer kleinen Planungseinheit auch schwieriger zu reagieren, wenn es mal weniger zu tun gibt – eine Person weniger bedeutet in einem 3-er Team bereits, dass ein Drittel der Arbeitskraft wegfällt und unter Umständen auch, dass eine bestimmte Kompetenz ganz wegfällt, weil sie nur von einer Person abgedeckt wird.
Kurze Planungsintervalle, fehlende Perspektive: häufig wird jeweils für einen Monat geplant. Dies scheint einfacher zu sein, wie für mehrere Monate oder ein ganzes Jahr zu planen. Tatsächlich wirkt aber dasselbe Phänomen wie bei der Teamgrösse: je kürzer das Planungsintervall, desto unwahrscheinlicher, dass bestimmte qualitative Planungsziele erreicht werden können. Entsprechend wird tendenziell übersteuert oder Möglichkeiten übersehen, die bei einem längeren Planungshorizont eher aufgefallen wären.
Planung durch Vorgesetzte – eine doppelte Hypothek: gerade in Pflegeteams planen in der Regel die Teamleitungen. Das bringt Vorteile: Sie kennen ihr Team, wissen um individuelle Bedürfnisse und implizite Regeln. Doch genau das macht die Planung zur Führungsaufgabe – mit all ihren sozialen Dynamiken. Wer bekommt den Freiwunsch – und warum? Machtüberlegungen, Sympathien, persönliche Wertvorstellung, die Teamdynamik fliessen ein, bewusst oder unbewusst. Nicht nur wird die Planerstellung schwieriger, es setzt die Planenden auch unter Druck: denn es als persönlich involvierte Person schlichtweg unmöglich, immer die objektiv beste Entscheidung zu treffen. Dazu kommt: Die meisten Führungskräfte sind keine Planungsspezialisten. Es fehlt an Tools, Know-how – und schlichtweg an Zeit.
Wenn mehr weniger ist - Ziele, Wünsche und Verallgemeinerungen
Mehr (erfüllte) Wünsche = mehr Zufriedenheit? Leider nein. Nicht die nackte Anzahl erfüllter Wünsche entscheidet über die Zufriedenheit, sondern die Differenz zwischen Erwartung und Realität. Ein aufgeblähtes Wunschsystem mit fixen Einschränkungen, unterschiedlich priorisierten Wünschen und Joker-Tagen führt zwangsläufig zu einer noch komplizierteren Planung, damit zu tendenziell schlechteren Ergebnissen und schlimmstenfalls zu Frust und Konflikten – sowohl bei Planer:innen wie auch bei Mitarbeitenden. Gerade im Schichtbetrieb mit vielen Teilzeitkräften ist der Wunsch nach Individualität verständlich – doch mehr Wünsche machen Pläne selten besser.
Goldene Regeln & Zielvorgaben – trügerische Orientierung: Schichtrotation nur vorwärts? Möglichst langsam oder möglichst schnell? Viel Forschungsarbeit rund um die Verträglichkeit von Schicht- und Nachtarbeit hat gezeigt, dass es kaum universelle Grundregeln gibt, wie eine gesunde und damit gute Schichtplanung aussehen muss. Menschen, Arbeitsbedingungen und soziale Kontexte sind zu verschieden. Was dem einen hilft, ist für den anderen belastend. Vorgaben wie die penible Einhaltung der monatlichen Soll-Arbeitszeit können andere, sinnvollere Verteilungen blockieren. Natürlich müssen rechtliche Rahmenbedingungen beachtet werden – aber oft gäbe es mehr Spielraum als gedacht.

Die Krux mit der Spezialisierung
Das Gesundheitswesen ist geprägt von Unsicherheit und Variabilität – keine Planung, keine KI kann das vollständig ausgleichen. Gerade in hochspezialisierten, kleinteiligen Strukturen wird das zum Problem: Schwankungen wirken sich hier stärker aus, wie im Abschnitt «Kleine Teams, Grosse Probleme» erläutert.
Gleiches gilt für spezialisierte Betten, einzelne Fachbereiche oder stark segmentierte Infrastrukturen. Es ist gefühlt immer zu viel – oder zu wenig. Und oft sind nicht zu wenige, sondern schlichtweg die "falschen" Ressourcen verfügbar. Ein Gegentrend ist bereits sichtbar: gemischte Bettenstationen, der Einsatz von "General Hospitalists" und Nurse Practitioners, oder flexibler einsetzbare Pflegefachpersonen – etwa in den Niederlanden. Die Alternative: eine stärkere Spezialisierung und damit höhere Patientenvolumina in den angebotenen Bereichen.
Und jetzt?
Die Dienstplanung ist kein reines Verteilproblem. Sie ist Ausdruck struktureller Fragen – und muss als solche neu gedacht werden. Einzelne Stellschrauben zu justieren, reicht nicht.
Was es braucht:
- ein gemeinsames Verständnis zwischen Planer:in, Führungskraft und Mitarbeitenden, was das Ziel einer Dienstplanung überhaupt ist – tönt banal, ist es aber nicht (vgl. Artikel «Personalplanung und Workforce-Management im Gesundheitswesen – eine Bestandesaufnahme»)
- bessere, KI-gestützte Prognosen der Nachfrage
- flexiblere Teamstrukturen
- vielseitig einsetzbare Rollenprofile
- Selbstbestimmung statt Wunschsysteme
- die richtigen Regeln (klar und einfach)
- geeignete Tools und Skills für die Planer:innen
Patentrezepte gibt es nicht – und auch Extremlösungen sind selten ideal. Es braucht gut ausbalancierte Modelle, die zum jeweiligen Haus, seinen Herausforderungen – und vor allem zu seinen Mitarbeitenden passen.
Im nächsten Artikel werfen wir einen Blick auf einige spannende Modelle, die wir im Rahmen unserer Beratungstätigkeit mitentwickelt und kennengelernt haben. Stay tuned!